Im Juni und Juli findet in Deutschland die Fußball-Europameisterschaft 2024 der Männer statt. Während Sport einerseits die unterschiedlichsten Menschen zusammenbringt, ist gerade auch der Fußball häufig ein Ort von Rassismus und Ausgrenzung. Über dieses Spannungsfeld sprach unser Vorsitzender Dietmar Schäfers mit der Juristin und ehemaligen Leichtathletin Sylvia Schenk.
Dietmar Schäfers: Es wird immer gerne gesagt, dass Sport verbindet und die Menschen zusammenbringt – eine Floskel oder belegbar?
Sylvia Schenk: „Sport spricht alle Sprachen“ – so warb die Deutsche Sportjugend vor rund 50 Jahren für die Sportvereine. Gemeinsames Sporttreiben und gemeinsames Erleben von Sportveranstaltungen bringen Menschen unterschiedlicher Herkunft, Nationalität, Kultur, Weltanschauung, Religion und sozialer Stellung zusammen. Als 2015 in großer Zahl Flüchtlinge nach Deutschland kamen, halfen Sportangebote bei der Integration, noch bevor die fremde Sprache erlernt wurde. Eine deutsche Flüchtlingshelferin berichtete, dass der Aufenthalt einer afrikanischen Mannschaft bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland 2006 in ihrem Wohnort sie geprägt und für die Unterstützung der Flüchtlinge neun Jahre später motiviert hätte.
Der Fußball ist vielfältig, das sehen wir jedes Wochenende. Nur gibt es auch eine Schattenseite, zum Beispiel wenn es zu rassistischen Beleidigungen kommt, sowohl beim Profi- als auch beim Amateurfußball – oder?
Auch im Sport gibt es zwei Seiten, Toleranz und wechselseitiger Respekt sind kein Automatismus, sondern müssen im Alltag stets aufs Neue erarbeitet, vorgelebt und durchgesetzt werden. Beim jüdischen Sportverein Makkabi Frankfurt gehören weit mehr als die Hälfte der 4.000 Mitglieder dem Islam, christlichen Kirchen oder keiner Religion an. Was intern funktioniert und fast wie eine Utopie klingt, ist von außen durchaus Angriffen ausgesetzt. Da erlebte bei einem Auswärtsspiel ein katholischer Fußballer im Makkabi-Shirt antisemitische Hetze. Gerade im Fußball brechen sich hässliche Emotionen in den Stadien oder im Internet immer wieder Bahn. Affenlaute, die Beschimpfung als „Schwuchtel“ – die Enthemmung kennt oft keine Grenzen. Nach dem Gewinn der U17-Fußball-Weltmeisterschaft 2023 wurden vier Spieler des deutschen Teams im Netz rassistisch angegriffen, die Behörden ermittelten wegen Volksverhetzung.
Was kann man neben einer konsequenten Strafverfolgung tun?
Neben präventiven Antidiskriminierungs-Kampagnen und konsequenter Ahndung von Verstößen sind vor allem Begegnungen rund um den Sport und sportliche Vorbilder entscheidend, um Rassismus und Hass zu überwinden. Fußballnationalspieler wie Antonio Rüdiger oder die Weitspringerin Malaika Mihambo, Weltmeisterin und Olympiasiegerin, können mit ihren deutschen Biografien inklusive eigenen Rassismus-Erfahrungen Augen öffnen und die Chancen der Vielfalt aufzeigen. So sorgt die große Reichweite des Sports für eine Botschaft der Gemeinsamkeiten weit über den Sport hinaus.
Im Juni beginnt die UEFA EURO 2024 in Deutschland. Kann sie einen Beitrag leisten?
Die Fußball-Europameisterschaft der Männer bietet die Chance, in Zeiten großer internationaler Spannungen ein Fest mit Fans aus ganz Europa zu feiern – miteinander trotz sportlicher Konkurrenz.