In den vergangenen Jahren ist die Alternative für Deutschland (AfD) stetig gewachsen. Aktuelle Umfragen sehen sie auf Bundesebene als zweitstärkste Partei hinter der CDU/CSU, in Thüringen ist sie bei den Landtagswahlen Anfang September sogar stärkste Kraft geworden. Dabei ist die AfD eine Partei, die der Verfassungsschutz bundesweit als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft hat und deren Landesverbände in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen von den jeweiligen Landesämtern für Verfassungsschutz sogar als gesichert rechtsextrem geführt werden. Sollte die AfD verboten werden? Standpunkte des Bündnisses „AFD VERBOT JETZT“ und des Komitees für Grundrechte und Demokratie e.V.
Bündnis „AFD VERBOT JETZT“
Pro: Menschwürde verteidigen – AfD-Verbot jetzt!
Autoritär-populistische, extrem rechte Parteien sind heute in fast allen Ländern Europas Teil des etablierten Parteienspektrums. Auch in Deutschland ist die Normalisierung der AfD in den letzten Jahren immer weiter vorangeschritten: Mit ihren Bürgermeistern und Landräten erringt die AfD zunehmend Einfluss auf die Verwaltung in ostdeutschen Kommunen. In Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen ist eine Regierungsbeteiligung nicht mehr undenkbar. Dabei wissen wir schon lange, was das für eine Partei ist.
Keine Organisation erzeugt derzeit mit so vielen Ressourcen, Mitarbeitenden und staatlichen Geldern wie die AfD ein gesellschaftliches Klima, in dem Täter*innen sich zu Gewalt ermutigt fühlen. Die AfD ist eine Bedrohung für das Leben aller Menschen, die nicht in ihr Weltbild passen. Sie verbreitet völkisch-rassistisches Gedankengut, verhöhnt die Demokratie und greift den Rechtsstaat an. Schon jetzt ist sie Stichwortgeberin im politischen Raum. Ganz zentral ist dabei ihre rassistische Asyl- und Migrationspolitik. Die AfD greift gesellschaftliche Verwerfungen und Unzufriedenheit auf und lenkt sie in rassistische und nationalistische Diskurse. Damit spiegelt sie nicht nur ohnehin vorhandenen Rassismus wider, sie verstärkt ihn auch und macht ihn zur zentralen Interpretationsfolie für gesellschaftliche Konflikte.
Einmal an die Macht gekommen, kann die AfD ihre Angriffe auf Menschenwürde und Demokratie zu staatlicher Politik werden lassen. In vielen Bereich müssen dazu nicht einmal Gesetze geändert werden. Gerade im Migrations- und Asylrecht reicht es, das geltende Recht mit noch größerer Härte und Rücksichtslosigkeit zu vollstrecken. Eine weitere Eskalation der Gewalt besonders gegen migrantisierte Menschen ist zu befürchten. Das heißt: Die Zeit drängt! Deshalb fordern wir ein Verbot der AfD.
Die AfD als Partei zu verbieten, wird nicht schlagartig dazu führen, dass Rassismus und Hass in der Gesellschaft verschwinden. Sie bestanden auch vor der AfD schon. Aber es nimmt den faschistischen Akteur*innen dieser Partei die organisatorische und finanzielle Basis und die parlamentarische Legitimität – und damit wichtige Ressourcen, die ihr ermöglichen, ihre Funktion als Organisatorin des rechten Blocks wahrzunehmen. Schon die Forderung nach einem AfD-Verbot kann die Normalisierung in den Medien und die Kooperationsbereitschaft anderer Parteien mit der AfD stoppen. Ist das Verbot erfolgreich, wird der staatliche Geldhahn zugedreht und der Parteiapparat aufgelöst, über den sich die Demokratiefeind*innen organisieren, vernetzen und Einfluss ausüben.
Bauen wir gemeinsam Druck auf! Für den Schutz der Menschenwürde und ein Verbot der AfD.
Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
Contra: Ein AfD-Verbot ist keine Lösung
Mit einem Parteiverbot der AfD werden weder die Ursachen noch die konkreten Formen von Rassismus und autoritären Tendenzen überwunden. Auch aus demokratietheoretischer Sicht gibt es Bedenken: Demnach sollten sich Mitglieder einer sich demokratisch umfassend selbst regierenden Gesellschaft frei an Debatten und Entscheidungsprozessen beteiligen können. Parteiverbote widersprechen dem Ansinnen einer in allen gesellschaftlichen Bereichen praktisch gelebten Demokratie.
Zudem ist zu erwarten, dass ein Verbotsverfahren mit den Begrifflichkeiten wehrhafte Demokratie, Extremismusdoktrin und freiheitlich demokratische Grundordnung (FdGO) arbeitet, da ein Parteiverbot nach Artikel 21 Abs. 2 Grundgesetz auf der verfassungsgerichtlichen Feststellung basieren muss, dass die Partei in ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf zielt, die FdGO zu beeinträchtigen, zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik zu gefährden.
Dieses folgt einem autoritären und illiberalen Verständnis von Demokratie, das dem Individuum mit Misstrauen begegnet und es anhand sicherheitspolitischer Feindbilder überprüft. Die Extremismusdoktrin fokussiert auf die „rechts- und linksextremen Ränder“ der Gesellschaft und ignoriert die autoritären und rassistischen Gehalte der „Mitte“. Ein Verbotsverfahren auf Basis der Extremismusdoktrin erleichtert den Parteien der „Mitte“, nichts an ihrer eigenen autoritär-neoliberalen und rassistischen Politik ändern zu müssen. Tatsächlich beobachten wir schon jetzt, wie diese Parteien Demokratieabbau und Rassismus diskursiv auf die AfD auslagern.
Ein AfD-Verbotsverfahren wird gegenwärtig häufig damit begründet, Demokratie müsse „streitbar“ und „wehrhaft“ sein, wie das Ende der Weimarer Republik gezeigt habe. Doch kamen die Nazis 1933 an die Macht, weil die Weimarer Republik bei ihrem Untergang bereits autoritär ausgehöhlt war, ihr demokratisches Widerstandspotenzial geschwächt, durch massive Grundrechtsverletzungen, willkürliche Inhaftierungen, Einschüchterung linker Kräfte, Polizeirepression und Parteiverbote – eine Situation, die der heutigen zu ähneln beginnt.
Ein positiver Bezug auf das Konstrukt einer „wehrhaften Demokratie“ ist daher nicht nur ahistorisch, sondern auch demokratieverkürzend. Eine Demokratie, die den Namen verdient, wird gesichert, indem man demokratische Prinzipien und Verfahren ausbaut und politische, soziale und gewerkschaftliche Rechte radikal stärkt, in allen gesellschaftlichen Feldern und auf allen Ebenen.
Anstatt autoritäre Logiken und repressive Instrumente durch ein Verbotsverfahren zu forcieren, sollten wir uns für eine radikale Demokratisierung einsetzen.