Im März haben Nora Warschewski und ihr Kollege Tolgay Özdemir von der der DGB Hochschulgruppe Rhein-Waal in Kleve und Kamp-Lintfort beim Wettbewerb „Die Gelbe Hand“ den Sonderpreis der DGB-Jugend NRW erhalten. Prämiert wurde ihre Idee und ihr Konzept zu der Aktionswoche #BeVocal, bei denen sie an ihrer Hochschule Rhein-Waal am Campus in Kleve auf Rassismus und Diskriminierung aufmerksam machen wollten. Diese Aktionswoche hat im April stattgefunden. Wir haben nachgefragt, was umgesetzt wurde und wie es gelaufen ist. Ein Gespräch mit Nora Warschewski über gewerkschaftliches Engagement gegen Rassismus und Vorurteile an ihrer Hochschule.
#BeVocal – das klingt zunächst mal ziemlich cool. Aber was genau verbirgt sich dahinter? Woraus bestand eure Aktionswoche? Am ersten Tag haben wir auf dem Campus ganztägig einen Infostand aufgestellt, an dem wir verschiedene Projekte vorgestellt haben, die sich gegen Rassismus engagieren. Unter anderem haben wir natürlich über die Gelbe Hand informiert. Es ging darum, zu zeigen, wo und auf welche Weise man sich ehrenamtlich engagieren kann. Aber wir haben auch informiert, wohin man sich wenden kann, wenn man konkret Opfer von Diskriminierung wird. Hier an der Hochschule gibt es beispielsweise das Welcome Center oder das Gleichstellungsbüro. Dienstags haben wir dann mit Blick auf die Europawahl über rechte Akteure in Europa informiert und eine Fotoaktion gestartet, bei der Studierende in Sprechblasen aufschreiben sollten, warum sie wählen gehen. Der Haupt-Act, deswegen auch der Name #BeVocal, war dann die Abendveranstaltung am Mittwochabend. Wir haben einen Poetry Slam (Vortragswettbewerb mit politisch- literarischen Texten, Anm. d. Red.) zum Thema Antidiskriminierung organisiert. Künstler*innen aus ganz NRW und Deutschland sind aufgetreten – das ist super gut angekommen! Den Abschluss der Woche bildete unsere „Tea time“, ein lockeres Gesprächsformat bei Tee und Keksen, das wir schon öfter zu allen möglichen Themen, die Studis interessieren, durchgeführt haben. Dieses Mal haben wir über Alltagsrassismus gesprochen.
Was für Erfahrungen habt ihr da gemacht? Ist das ein akutes Thema an eurer Hochschule? Schließlich habt ihr ein sehr internationales Profil, rund 7000 Studierende aus über 100 Nationen studieren bei euch am Campus. Ausgrenzung, Abwertung und Rassismus sind gesamtgesellschaftliche Phänomene, warum sollten sie vor einer Hochschule Halt machen? Daraus ist ja eigentlich auch die Idee für die Aktion entstanden, weil wir gemerkt haben, dass es hier Probleme gibt, dass immer wieder subtile Vorurteile geäußert werden. Mein Kollege Tolgay hat türkische Wurzeln, ist aber hier geboren, dennoch musste er sich Sprüche anhören wie: Geh doch zurück in deine Heimat! – Er antwortete: Was soll ich in Emmerich? Das waren keine Einzelfälle, deswegen haben wir die Aktionswoche ins Leben gerufen. Wir wollten Rassismus sichtbar machen und aufklären. Manche der Studierende kamen Anfang der Woche zu unserem Infostand und meinten, eigentlich gäbe es keine Probleme. Dann kamen sie ein zweites Mal Ende der Woche und erzählten doch von diskriminierenden Vorfällen. Ein Problem hier im Grenzgebiet zu den Niederlanden ist zum Beispiel das Racial Profiling. Junge Leute, die nicht wie „Deutsche“ aussehen, werden oft von der Polizei kontrolliert. Wir sind eine sehr internationale Uni. Was wir auch oft erleben, ist, dass Konflikte aus den Herkunftsländern mit hier hin gebracht werden. Die Konflikte zwischen Türken und Kurden, aber auch zwischen Israel und Palästina sind immer wieder ein Thema.
Wie würdest du im Nachhinein eure Aktionswoche bewerten und was plant ihr für die Zukunft? Ich denke, das war sehr positiv. Wenn junge Menschen zwei Mal an unseren Stand kommen, dann zeigt das, dass sie darüber nachgedacht haben. Das heißt, wir haben unser Ziel erreicht: Wir haben auf das Problem aufmerksam gemacht und dafür sensibilisiert. Wichtig ist es jetzt, am Thema dran zu bleiben. Ich kann mir vorstellen, im nächsten Semester eine Aktionswoche mit mehr theoretischem Input zu organisieren. Das war jetzt ein erstes vorsichtiges Herantasten, aber vielleicht können wir dann Referenten einladen und Workshops zu diesen Themen anbieten. Wir müssen – neben unserem klassischen Terrain, der arbeitsrechtlichen Beratung – viel mehr politische Bildung anbieten und dabei auf die Situation in Deutschland und auf interkulturelle Konflikte eingehen.
Liebe Nora, vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg weiterhin für euer Engagement gegen Rassismus und Diskriminierung!