Der Mindestlohn und die Auswirkungen auf Wanderarbeiterinnen und -arbeiter

Eine Bestandsaufnahme von Jochen Empen (Faire Mobilität)

Wenn Beschäftigte aus dem europäischen Ausland vor dem 1. Januar nach der Höhe des geltenden Mindestlohns fragten, mussten wir, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des DGB-Projekts „Faire Mobilität“, sie nicht selten enttäuschen. „Nein, ein gesetzlicher Mindestlohn existiert nicht und einen Branchenmindestlohn gibt es in Deinem Bereich leider auch nicht.“ So ungefähr lautete häufig die Antwort. Ob der oder die Beschäftigte mit beispielsweise sechs Euro pro Stunde tatsächlich zu wenig verdiente, war damit gar nicht so einfach zu beantworten. Lediglich das komplizierte Verbot der Sittenwidrigkeit bot etwas Orientierung.

Dass es ausgerechnet in Deutschland keine gesetzliche Lohnuntergrenze gab, damit hatten unsere Ratsuchenden nicht gerechnet. Der neue Mindestlohn macht es in der Beratung einfacher. „Weniger als 8,50 Euro dürft Ihr nicht verdienen“, können die Beraterinnen und Berater jetzt sagen, wobei sie die Ausnahmen natürlich im Blick haben müssen. Eine gesetzliche Lohnuntergrenze ist für mobile Beschäftigte eine wichtige Orientierung. Woher sollen sie wissen, welcher Lohn für ihre Arbeit in Deutschland üblich ist? Allzu oft wurde diese Unwissenheit ausgenutzt, um niedrigere Löhne zu vereinbaren.

Tatsächlich gibt es eine große Anzahl mobiler Beschäftigter, die bisher deutlich unter 8,50 Euro erhalten hat. In einigen Branchen, in denen viele migrantische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tätig sind, wird es jetzt spannend. Nehmen wir zum Beispiel die Gastronomie oder den Bereich Lager und Logistik: Werden die Löhne in diesen Niedriglohnsektoren jetzt tatsächlich angehoben oder werden sich die Unternehmen, den gesetzlich verordneten höheren Stundenlohn auf anderen Wegen - zum Beispiel über unbezahlte Überstunden - von den Beschäftigten wieder zurückholen? Dies werden wir erst in ein paar Monaten besser einschätzen können.

Andere Branchen haben noch kurz vor Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes noch Branchenmindestlöhne abgeschlossen, die unter 8,50 Euro liegen. Das sind zum Beispiel die Fleischindustrie und die Landwirtschaft – beides Branchen mit hohem Anteil von Wanderarbeiterinnen und Wanderarbeitern. Nicht profitieren vom Mindestlohn werden zudem die zahlreichen Solo- und Scheinselbständigen aus Mittel- und Osteuropa. Klar ist: Auch weiterhin werden viele mobile Beschäftigte in Deutschland zu einem Niedriglohn von de facto weniger als 8,50 Euro arbeiten.

Allerdings könnte der Mindestlohn dazu führen, dass Lohndumpingmodelle mit Firmen aus dem Ausland, die ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Deutschland entsenden, weniger populär werden, da sich die Gewinnspanne deutlich verringert. Dies kann derzeit in der Fleischindustrie beobachtet werden, in der es seit dem 1. Juli 2014 einen allgemeinverbindlichen Mindestlohn gibt, den auch ausländische Firmen einhalten müssen. Zunehmend gehen einige große Schlachtbetriebe dazu über, ausländische Subunternehmer gegen deutsche Subunternehmen auszutauschen, wobei die Belegschaften häufig dieselben bleiben. Der positive Effekt besteht vor allem darin, dass die Beschäftigten dadurch dort sozialversichert werden, wo sie die Arbeit ausüben.

Die Beratungsstellen findet ihr in folgenden Städten:

  • Berlin, Keithstr. 1–3, 10787 Berlin
  • Dortmund, Königswall 36, 44137 Dortmund
  • Hamburg, Besenbinderhof 59, 20097 Hamburg
  • Frankfurt, Wilhelm-Leuschner-Straße 69 – 77, 60329 Frankfurt a. M.
  • München, Schwanthalerstraße 64, 80336 München
  • Stuttgart, Nikolausstraße 17, 70190 Stuttgart

Mehr zum Projekt Faire Mobilität auf www.faire-mobilitaet.de