Ein Stück Normalität

Gelbe-Hand-Reportage: IG BCE-Jugend in Oldenburg organisierte am 13. Februar einen Familientag für Flüchtlinge

„Ich möchte malen, hallo!", ruft die 5-jährige Schalla aus dem Nordirak selbstbewusst grinsend auf Deutsch in die Runde. Denn die anderen Kinder haben schließlich schon alle ihren Malblock und die Farben erhalten und mit dem Zeichnen begonnen. Schalla muss sich noch ein wenig gedulden, denn die jungen Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter der IG BCE-Jugend Oldenburg kommen aufgrund des Andrangs kaum hinterher, die Kinder mit Blöcken und Stiften zu versorgen. Die Malaktion für Flüchtlingskinder in der Erstaufnahmestätte BBS 3 in Oldenburg ist ein voller Erfolg. Rund 30 syrische und irakische Mädchen und Jungen lachen, malen, kleckern, ihre Eltern beobachten sie amüsiert dabei und trinken derweil im großen Aufenthaltsraum Tee, der von den Ehrenamtlichen zur Verfügung gestellt wird. Ein Stück Ausgelassenheit und Normalität in der Fremde.

Die Idee zu diesem Familientag für Flüchtlinge hatte Natalie Rütten, die JAV- und Jugendreferentin der IG BCE im Bezirk Oldenburg. „Wir wollten nicht nur reden, wir wollten etwas für die Menschen tun", erklärt die 25-Jährige. Also kontaktierten sie die Initiative „Flüchtlinge – Willkommen in Oldenburg", die ehrenamtlich Hilfestellung in der Erstaufnahmestelle leistet. Gemeinsam organisierten sie diesen Tag für die Familien in der Unterkunft. Rund 200 Menschen, vornehmlich aus Syrien und dem Irak, sind in der Willerstraße untergebracht. Kammillia ist seit letztem Sommer in Oldenburg. Sie ist Yezidin aus dem Nordirak. Mit ihrem Mann und ihren 4 Kindern floh sie vor dem Terror des sogenannten IS. Die Familie stammt aus Sindschar, der heiligen Stätte ihrer seit je her verfolgten und unterdrückten Glaubensgemeinschaft. Die terroristischen Milizen des IS bombardierten die Häuser, töteten Männer, verschleppten Frauen. Auch Kammillia war zehn Tage in Gefangenschaft der Terroristen, dann wurde sie befreit – von einem Flugzeug, wie sie erzählt. Sie weiß nicht einmal, wer sie gerettet hat. Amerikaner? Die irakische Armee? Egal. Hauptsache sie lebt. Danach blieb der Familie nur noch die Flucht nach Europa. Es folgte der Weg in Richtung Türkei, die gefährliche Überfahrt mit den Schleppern über das Mittelmeer, dann die strapaziöse Balkan-Route. Drei Monate waren sie unterwegs. Das alles mit vier kleinen Kindern. „Wir hatten Hunger, es war nicht einfach. Wir hatten keine Wahl, wir dachten: Entweder wir sterben – oder wir leben", erzählt die junge Mutter. Doch nun fühle sie sich in Sicherheit – auch durch die Hilfe der Menschen hier in Oldenburg. Was sie sich wünsche? Eine sichere Zukunft, Bildung für ihre Kinder – und das endlich ihr Mann zu ihr kommen könne. Sie wurden bei der Zuteilung des Landes auf die Erstaufnahmestellen getrennt, ihr Mann lebt momentan im niedersächsischen Friedland.

Nergiz Schalad sitzt neben Kammillia, hält ihre Hand, während sie erzählt. Die 31-jährige türkische Kurdin ist ehrenamtliche Dolmetscherin. Viele dieser Geschichten hat sie in den letzten Monaten zu hören bekommen. Sie unterstützt die Menschen nicht nur sprachlich, sondern auch moralisch: „Man versucht zu helfen – ohne die Schicksale zu nah an einen selbst heranzulassen. Aber das ist schwierig." Ein wenig helfen soll dabei auch die Malaktion der IG BCE-Jugend. Die Bilder der Kinder sollen anschließend verkauft werden, um mit dem Geld Kleider und Spielsachen zu finanzieren.

Fasziniert sind die Kleinen von den musikalischen Einlagen eines deutschen Musikerduos. Mit der Akustikgitarre werden die neuesten Charthits performt, die Kinder lauschen gebannt im Sitzkreis – Musik kennt keine Grenzen. In der Gemeinschaftsküche bereiten mittlerweile die Mütter typische kulinarische Köstlichkeiten aus ihren Heimatregionen zu. Die Zutaten hat die IG BCE-Jugend besorgt. Natalie Rütten wirkt glücklich. So hatte sie sich es erhofft, „ein wenig Ablenkung" schaffen für die Kinder und die Eltern. Das Anpacken und Organisieren war für sie und die anderen IG BCE-Jugendlichen Selbstverständlichkeit und Verpflichtung zugleich. Als Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, so Rütten, gelte es in Zeiten wie diesen, Haltung zu zeigen: „Gerade wir müssen die Werte der Solidarität und der Menschlichkeit vorleben." Die Flüchtlingsfamilien in Oldenburg wissen das zu schätzen.