„Erinnern erzeugt Emotionen“

Interview mit dem DGB-Bundesjugendsekretär und Fördermitglied des Kumpelvereins Florian Haggenmiller über Erinnerungskultur

und Engagement

Anlässlich des 70. Jahrestages der Befreiung von Auschwitz habt ihr als DGB-Jugend gemeinsam mit anderen Jugendverbänden eine Gedenkfahrt zu diesem Ort organisiert. Ihr wart ca. 60 Multiplikatorinnen und Multiplikatoren. Warum ist es auch heute – oder gerade heute – so wichtig, an das geschehene Unrecht zu erinnern?

Dieses Erinnern erzeugt Emotionen, das ist nochmal ein anderer Zugang. Für mich persönlich war die Fahrt nach Auschwitz sehr bewegend, schier unfassbar mit welcher Systematisierung Menschen ermordet wurden. Wir müssen immer wieder zurückschauen und erkennen, was da passiert ist, um heute zu sagen: so etwas darf es nie wieder geben. Dabei ist es wichtig, dass das Signal von der Jugend ausgeht. Gerade vor dem Hintergrund, dass es bald keine Zeitzeugen mehr geben wird. Unsere 16-jährigen Mitglieder haben Großeltern, die nach dem Zweiten Weltkrieg geboren wurden. Ich bin froh, dass ich mit meinen noch über das Geschehene und ihre Erlebnisse reden konnte. Aus diesem Grund müssen wir uns jetzt überlegen, was sich ohne Zeitzeugen in der Erinnerungskultur ändern wird. Deshalb sollten wir die Erinnerungskultur auf vielfältige Weise stärken. Die Fahrt im Januar war zum Beispiel nur ein erster Schritt – mit Funktionären der Jugendverbände. Im Juni organisieren wir eine zweite Fahrt mit 1.000 Jugendlichen, davon 700 junge Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter.

Zurück im Hier und Jetzt: Rassismus wird immer mehr zu einem offenen Phänomen der Mitte. Welchen Beitrag können die Gewerkschaften leisten, um dem zu begegnen?

Wir erleben seit Jahren einen Rechtsruck in Europa, wie auch in Deutschland. Das kann man unter anderem am Wahlverhalten junger Menschen deutlich erkennen. Wir, die Gewerkschaften, haben einen gesellschaftspolitischen Auftrag, den wollen wir nutzen. Unser großer Vorteil ist: wir können in die Betriebe, können vor Ort auf der Arbeit wirken. Da, wo Menschen ein Drittel ihrer Lebenszeit verbringen. Das müssen wir wieder stärker tun im Angesicht des Aufkommens der AfD oder der Pegida-Bewegung. Wir müssen deren rechtspopulistische Thesen entkräften. Die Propaganda von Pegida dürfen wir nicht unkommentiert stehen lassen!

Wie sieht die Umsetzung dieses gesellschaftlichen Auftrages dann konkret aus?

Ganz konkret: Man kann Rassismus und Rechtsextremismus in JAV-Versammlungen zum Thema machen. Wir können über das Betriebsverfassungsgesetz Einfluss auf die Ausbildungspläne nehmen und zum Beispiel Workshops anbieten. Vor allem müssen wir die Jugendlichen zum Engagement motivieren, sie mitnehmen, beispielsweise, auf die Anti-Pegida-Demos. Aber nur mitnehmen reicht nicht. Wir müssen auch erklären, für was wir einstehen, nämlich für eine tolerante Gesellschaft, und dabei gleichzeitig klare Kante gegen fremdenfeindliche Parolen zeigen. Deswegen rufe ich auch alle jungen Menschen auf, sich im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus mit Aktionen zu beteiligen! Ich finde es toll, dass auch zahlreiche DGB-Jugendgruppen wieder aktiv sind. Der zunehmende Rassismus muss thematisiert und bekämpft werden, auf der Arbeit wie im privaten Umfeld.

Zum Abschluss schlagen wir eine Brücke oder anders gefragt: Wie lässt sich das „Erinnern an gestern“ mit dem „Aktiv-Sein für morgen” verbinden?

Die junge Generation darf nie aufhören, dessen zu gedenken, was im Zweiten Weltkrieg unter der nationalsozialistischen Terrorherrschaft geschehen ist. Gleichzeitig schauen wir auch nach vorne und gestalten aktiv die Gesellschaft, in der wir leben wollen – eine offene Gesellschaft, in der Rassismus keinen Platz hat.

Foto: DGB/Ralf Steinle