Flüchtlinge im DGB-Haus

Die Vorsitzende des DGB Bezirk Berlin-Brandenburg, Doro Zinke, schildert Hintergründe

Über Tage hielten sich rund 20 Flüchtlinge im DGB-Haus des Bezirks Berlin-Brandenburg auf. Am Ende wurde das Gebäude von der Polizei geräumt. Dieser Vorgang sorgte für Aufsehen – und Kritik. Der Kumpelverein hat bei der Vorsitzenden des DGB, Bezirk Berlin und Brandenburg, Doro Zinke, nachgefragt, was die Hintergründe des Vorfalls waren, und erhielt folgende Stellungnahme:

Am 25.9. kamen einige Personen in unser Gewerkschaftshaus – gleichzeitig kam ein Einsatzwagen der Polizei an. Die Polizisten erklärten uns, das Haus sei besetzt. Allerdings hatte keiner der Mieter die Polizei gerufen. Im Erdgeschoss wurden von den Leuten Plakate aufgehängt, aus denen hervorging, dass es sich um Flüchtlinge und Asylbewerber handelte, woraufhin ich der Polizei erklärte, das seien Gäste und Polizei würde nicht benötigt. Auf einem der Plakate stand „Gruppe Marxistische Analyse“. Dies beachteten wir nicht unmittelbar. Wir haben also Tee geordert und uns mit den Flüchtlingen und ihren Unterstützern unterhalten.

Da wir im Gewerkschaftshaus eine sehr vielfältige Arbeit zur Unterstützung von Migranten und Migrantinnen, Wanderarbeitern, von Menschenhandel Betroffenen usw. machen, konnten wir direkt in allen benötigten Sprachen (Deutsch, Englisch, Französisch, Farsi, Türkisch, Kurdisch) mit den Leuten sprechen. Sie erklärten uns, dass sie Mitgliedschaft in den Gewerkschaften wollten, umfassenden Rechtsschutz, mit den Vorsitzenden der Gewerkschaften sprechen, ein Gespräch mit dem Bundesamt für Asyl- und Flüchtlingsfragen, von dem sie kamen, die Durchsetzung ihrer Asylanträge, eine Aufhebung des Arbeitsverbotes und der Residenzpflicht. Bei den Gesprächen waren unter anderem anwesend: die Integrationsbeauftragte von Tempelhof/Schöneberg, ihre Mitarbeiterin, der Mitarbeiter einer befreundeten Bundestagsabgeordneten aus Tempelhof und ein Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses.

Wir sprachen bis ca. 0.30 Uhr mit den Flüchtlingen und boten ihnen eine Schlafmöglichkeit, die sie jedoch ablehnten. Außerdem stellten wir Verpflegung für die Nacht und den Morgen sicher. Wir gingen davon aus, dass wir zu gemeinsamen politischen Positionen kommen und den Flüchtlingen praktisch helfen könnten.

Daher gaben wir ihnen am nächsten Morgen die Möglichkeit, auf der Betriebsversammlung des DGB zu sprechen und organisierten für den Nachmittag eine gemeinsame Pressekonferenz.

Zu dieser Pressekonferenz hatten wir unter anderem die Bundestagsabgeordnete Azize Tank eingeladen, da sie über vielfältige Erfahrungen in der Flüchtlings- und Asylarbeit verfügt. Wir vervielfältigten das Forderungspapier der Flüchtlinge auf Deutsch und Englisch und verteilten es, gemeinsam mit den politischen Positionen des DGB. Außerdem waren eine ganze Reihe von Beschäftigten unseres Hauses anwesend, da mehrere von ihnen in der Unterstützerszene aktiv sind.

Bei der Pressekonferenz stellte sich folgendes heraus: Die von uns kopierten politischen Papiere fanden keine Beachtung.

Es waren neue „Unterstützer“ anwesend, die unter lebhaftem Beifall anderer Unterstützer und der Flüchtlinge Folgendes erklärten: Die deutschen Gewerkschaften kümmerten sich lediglich um gut verdienende Beschäftigte, nicht um die untersten Teile der Arbeiterklasse. Der DGB sei so groß und mächtig – wenn er die Flüchtlinge schützen wollte, könnte er dies auch durchsetzen. Dass er dies nicht tue, sei ein Beweis dafür, dass er es nicht wolle. Früher seien die deutschen Gewerkschaften noch kämpferisch gewesen, wenn sie aber so weitermachen mit ihrer Anpassung, hätten sie bald nur noch fünf oder vier Millionen Mitglieder. Zum Beweis ihres guten Willens sollten DGB und LINKE für den nächsten Tag eine Großdemonstration organisieren, zumindest aber für den Beginn der folgenden Woche, an der dann mindestens 100.000 Menschen teilnehmen sollten. Ansonsten würden die Gewerkschaften wieder einmal ihren klassenverräterischen Standpunkt beweisen.

Trotz dieser „Entlarvung“ (siehe oben: das Plakat der „Gruppe Marxistische Analyse“) sprachen wir bis spät in die Nacht weiterhin mit den Flüchtlingen und ihren Unterstützern. Unser Ziel war immer noch, unterstützt von Azize, eine gemeinsame politische Plattform zu erarbeiten, um damit nach außen zu treten und klar zu machen – über unsere bisherige praktische Arbeit hinaus – ,dass der DGB Berlin-Brandenburg für die Flüchtlinge und Asylsuchenden ein Bündnispartner ist.

Wir hatten nie die Möglichkeit, mit den Flüchtlingen ohne die „Unterstützer“ zu sprechen – nicht nur bei den Verhandlungen, sondern auch bei Gesprächen am Rande. Beispielsweise schlug ich einem der Flüchtlinge vor, für die Französisch Sprechenden einen Sprachkurs im DGB-Haus zu organisieren – auch dieses Gespräch wurde von einer „Unterstützerin“ abgebrochen.

Die von den Flüchtlingen angeforderte Rechtsberatung organisierten wir für den darauf folgenden Donnerstag im Büro von Azize Tank. Am Montag informierte ich unseren Bezirksvorstand über die Forderungen der Unterstützer.