„Gemeinsam schaffen wir das!“

Ein Interview mit dem neuen Vorstand des Kumpelvereins

Am 4. Dezember 2020 fand im Rahmen einer Videokonferenz die Mitgliederversammlung des Kumpelvereins statt. Auf der Tagesordnung standen eine Satzungsänderung, die eine neue und flexible Zusammensetzung des Vorstands ermöglichte sowie die Streichung des Wortes „Fremdenfeindlichkeit“ aus dem Namen und der Satzung des Vereins. Somit begann am 4. Dezember eine neue Zeit für den Kumpelverein. Zum neuen Vorsitzenden wurde Dietmar Schäfers (IG BAU) gewählt. Anne Jacobs (EVG) und Romin Khan (ver.di) wurden zu stellv. Vorsitzenden gewählt. Regina Karsch (IG BCE), Sabrina Kunz (GdP), Marc Neumann (DGB) und Kai Venohr (DGB Bildungswerk Bund) wurden als weitere Vorstandsmitglieder gewählt. Wir sprachen mit der neuen Spitze des Kumpelvereins über ihre Pläne für den Verein und die aktuellen Herausforderungen im Kampf gegen rechts, Rassismus und für Demokratie.

Lieber Dietmar, du gehörst zur gewerkschaftlichen Prominenz auf Bundes- und europäischer Ebene. Du bist ein langjähriges Mitglied im Kumpelverein. Vor welchen Herausforderungen stehen wir aktuell?

Rassismus und Rechtsextremismus sind der Sargnagel unserer Demokratie und dürfen in unserer Gesellschaft keinen Platz haben. Dennoch machen Menschen in der Bundesrepublik täglich Erfahrung mit Rassismus und rechtsextremen Positionen. Die Herausforderung ist „dagegenhalten und Position beziehen“, egal ob es in der Familie, Nachbarschaft, dem Freundeskreis, in der Kneipe, in der Schule oder am Arbeitsplatz ist. „Dagegenhalten und Flagge zeigen“ auch in den sogenannten sozialen Medien wie Facebook oder WhatsApp.

Viele tun das bereits, aber es müssen mehr werden. Da spielen, auch wenn es den Arbeitsplatz betrifft, die Mitglieder der DGB-Gewerkschaften, die Betriebs- und Personalräte sowie die Jugend- und Ausbildungsvertretungen eine wichtige Rolle als „Botschafter für Demokratie und Gleichberechtigung und gegen Rassismus“! Die machen einen wirklich guten Job und wir unterstützen sie tatkräftig da, wo es gewünscht ist.

Du hast gerade von Personal- und Betriebsräten gesprochen, wo siehst du den Kumpelverein im Kampf um weltoffene und solidarische Gremien?

Ja, die laufenden Personalratswahlen, die Jugend- und Auszubildendenvertreterwahlen und die Betriebsratswahlen 2022 sind wichtige Meilensteine beim Thema Demokratie und Mitbestimmung im Betrieb. Die Gewerkschaftssekretär*innen der Einzelgewerkschaften im DGB unterstützen die betrieblichen Akteur*innen tatkräftig. Aber auch der „Kumpelverein“ bietet Materialien und „Inhouse Veranstaltungen“ zum Thema Rassismus, gegen rechts und für Gleichbehandlung an.

Die „Gelbe Hand“ ist in vielen Betrieben zu einem sichtbaren Zeichen gegen „Hass und Gewalt und für Vielfalt und eine bunte Gesellschaft“ geworden. Aber ich denke da ist noch „Luft nach oben“. Das ist noch ausbaufähig. Daran werden wir weiter intensiv arbeiten!

Du hast in deiner Antrittsrede gesagt „Wir werden nicht abtauchen, sondern Flagge zeigen“. Eine motivierende und zugleich kämpferische Aussage. Was können unsere Fördermitglieder und die vielen gewerkschaftlichen Aktiven vor Ort vom Kumpelverein in den kommenden Jahren erwarten?

Der „Kumpelverein“ lebt vom MITMACHEN. Das bedeutet konkret, den Anteil der Fördermitglieder als Multiplikator*innen „gegen rechts“ zu vergrößern. Neben den betrieblichen Akteuren brauchen wir auch eine noch stärkere Ausrichtung auf die Jugend. Da braucht es weitere Angebote zum MITMACHEN im Kumpelverein.

Der neu gewählte Vorstand wird die bisherigen Konzepte weiter optimieren und die Kommunikation, Öffentlichkeitsarbeit, Netzwerkarbeit sowie die inhaltlichen Angebote verstärken. Ziel ist es, die „Gelbe Hand“ zu einem starken Zeichen zu machen gegen Rassismus, Ungleichheit und Rechtsextremismus in allen gesellschaftlichen Gruppen, am Arbeitsplatz, den Schulen und in der Öffentlichkeit. Gemeinsam schaffen wir das!

Liebe Anne, du bist eine Expertin in Sachen „Öffentlichkeitsarbeit“. Wenn du an das alte gewerkschaftliche Symbol gegen rechts, die Gelbe Hand, denkst, welche Potenziale siehst du? Wie können wir das Symbol besser nutzen?

In unseren Gewerkschaftskreisen ist das Symbol an sich immer noch bekannt und präsent. Unser Ziel muss es aber sein, viel mehr junge Menschen mit dem Logo, seiner Bedeutung und damit verbundener Aufforderung in Kontakt zu bringen. Das stärkt zum einen die Idee, für Gleichbehandlung und gegen Rassismus einzutreten. Zum anderen hilft es uns als Gewerkschaften, unsere soziale Verantwortung zu unterstreichen – die wir über die Gewerkschaftsarbeit hinaus übernehmen.

Wenn wir es schaffen, mit dem Symbol junge Leute zu erreichen und im Weiteren diese dann mit spannenden Inhalten zu binden – dann werden unsere Botschaften über funktionierende Netzwerke verbreitet. Dabei ist es egal, ob wir Gewerkschaftsmitglieder oder gesellschaftlich engagierte Menschen für unsere Ziele begeistern. Aber – dafür müssen wir Inhalte liefern, die junge Menschen ansprechen. Damit sie im Weiteren bereit sind, diese zu teilen und zeitgleich zu eigen zu machen.

Lieber Romin, die Satzungsänderung, das Wort „Fremdenfeindlichkeit“ aus dem Namen des Vereins zu streichen, geht auf deine Initiative zurück. Sie ist ein Zeichen für einen langsamen, aber unaufhaltsamen Modernisierungsprozess im Kumpelverein. Warum hat der Verein das Wort „Fremdenfeindlichkeit“ gestrichen?

Ja, es stimmt. Ich habe der Mitgliederversammlung vorgeschlagen, den Begriff Fremdenfeindlichkeit aus dem Namen des Kumpelvereins zu streichen und freue mich, dass wir den Beschluss dazu einstimmig getroffen haben. Wir hatten schon häufiger darüber gesprochen, ob der Begriff das, wogegen wir uns wenden, angemessen beschreibt. Aber den letztendlichen Anstoß gab dann das Gedenken in Hanau, wo am 19. Februar neun junge Menschen aus rassistischen Gründen umgebracht wurden.

„Die Opfer waren keine Fremden, sie waren Hanauerinnen und Hanauer.“ Das war die eindrückliche Botschaft der Angehörigen und Unterstützer*innen nach dem Anschlag von Hanau. Wenn auch ungewollt und gut gemeint, übernimmt und verstärkt der Begriff Fremdenfeindlichkeit die Perspektive der Täter, die Menschen angreifen, weil sie in ihren Augen fremd seien. Der Begriff betrachtet die Opfer nicht als selbstverständlichen Teil der Gesellschaft, sondern sieht in ihrer Differenz zur Mehrheitsgesellschaft die Ursache für Aggressionen.

In Wirklichkeit findet ein Übergriff jedoch nicht statt, weil das Opfer eine bestimmte Eigenschaft oder Herkunft hat, sondern weil der Täter eine bestimmte Einstellung hat. Bei dieser werden äußerliche oder kulturelle Merkmale von Menschen zu Gruppenidentitäten konstruiert, die mit bestimmten Eigenschaften oder Verhaltensweisen verknüpft und abgewertet werden. Wenn diese Ausgrenzung historischen Mustern folgt, sie Ungleichheit legitimiert und mit gesellschaftlicher Macht unterlegt ist, sprechen wir von Rassismus. Wenn wir die Gesellschaft besser und gerechter machen wollen, müssen wir verstehen, dass Rassismus nicht 1945 aufgehört hat zu existieren, sondern dass er bis heute ein wichtiges Ordnungssystem ist, von dem wir alle geprägt sind. Begriffe wie Fremdenfeindlichkeit führen uns bei dieser Aufgabe auf eine falsche Fährte.

Liebe Regina, drei der sieben Vorstandsposten im Kumpelverein werden von Frauen bekleidet. Wenn man sich die Zusammensetzung der Fördermitglieder anschaut, sehen wir noch viel Luft nach oben. Sind Frauen im Kumpelverein gut aufgehoben?

Zunächst einmal ist es wichtig festzuhalten, dass Rassismus kein Geschlecht kennt. Alle Geschlechterformen – also nicht nur „Mann oder Frau“ können sich rassistisch verhalten.

Natürlich wissen wir aber aus der Statistik, dass gerade Männer überproportional häufig rassistische Verhaltensweisen an den Tag legen. Aber wir sehen auch, dass Frauen sich zunehmend rassistisch verhalten. Lass es mich an einem Beispiel verdeutlichen: In der aktuellen Debatte rund um das Querdenken-Bündnis finden sich viele Frauen, die sich in kruden völkisch-esoterischen Verschwörungstheorien verlieren. Ich finde, hier müssen wir als Gelbe Hand verstärkt drauf schauen – und das müssen wir gemeinsam mit Kolleginnen tun, die sich in der Gelben Hand organisieren und engagieren.

Mit der vielfältigen Besetzung des neuen Vorstands haben wir ein starkes Signal gesetzt: Engagement gegen rechts geht JEDE*N etwas an. Diesen Drive müssen wir jetzt nutzen! Und gerade deswegen sehe ich es als Frau im Vorstand als meine Aufgabe insbesondere Frauen für den Kumpelverein zu begeistern – egal ob jung oder jung geblieben.

Lass mich deine Frage also entsprechend so beantworten: der Kumpelverein ist bei den Frauen gut aufgehoben.

Liebe Sabrina, du hast gesagt, dass du im Kumpelverein gut aufgehoben bist. Das hat uns neugierig gemacht. Welche Projekte würdest du gerne mit der Gelben Hand vorantreiben?

Ich bin sehr froh darüber, dass die Mitgliederversammlung einer Vorstandserweiterung zugestimmt hat und dass der Vorstand nun noch vielfältiger besetzt ist. Bei dem Kampf gegen Rechtsextremismus und Rassismus ist es mir wichtig, dass wir in der Außendarstellung deutlicher betonen müssen, was wir wollen und wie wir uns die Gesellschaft vorstellen. Aktuell wird gerade auch in der medialen Diskussion viel zu sehr betont, was wir nicht wollen: Rechtsextremismus und Rassismus in unserer gesamten Gesellschaft. Diese Betonung macht den Menschen Angst und verunsichert sie.

Als Polizistin, Gewerkschafterin und Antifaschistin ist mir unser Ziel klar; ich möchte dies positiv formulieren: Wir wollen eine demokratische, eine vielfältige und eine bunte Gesellschaft. Es wird auch weiterhin die Aufgabe des Kumpelvereins sein, hierzu einen ganz wesentlichen Beitrag zu leisten. Dabei ist es mir wichtig, dass wir unsere Mitgliederentwicklung weiter ausbauen, Menschen um uns einen, welche die gleichen Ziele verfolgen. Ich bin mir sicher, dass dies die deutliche Mehrheit der Menschen ist. Darüber hinaus möchte ich gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen im Vorstand die jungen Zielgruppen ansprechen, junge Menschen für unsere Ideen und Vorstellungen begeistern und zum Mitmachen motivieren.

Lieber Marc, seit 1986 kämpft der Verein gegen Rassismus und Rechtsextremismus in der Arbeitswelt. Demokratie wurde zum dritten Schwerpunkt seiner Arbeit. Warum ist unsere Arbeit innerhalb der Gewerkschaften wichtig?

Die Gelbe Hand ist ein wichtiges Symbol geworden. Ihre Aussage ist klar: Wir stehen für Solidarität, gegen Rassismus und Ressentiments. Wir sind auf einem guten Weg, nicht nur diese wichtige symbolische Strahlkraft zu nutzen, sondern auch eigene Akzente zu setzen. Damit gestalten wir einen wichtigen Teil auch des Markenkerns der Gewerkschaften und des DGB. Die Verhältnisse werden doch gerade nicht besser und einfacher. Die Corona-Proteste zeigen, dass sich ein oft diffuses Unbehagen mit knallharten Interessen von Neonazis, Reichsbürger und Verschwörungsgläubigen mischt. Sie radikalisieren sich, und das schwappt auch in die Betriebe. Der Kumpelverein kann hier viel bewegen – aufklären und für Solidarität mit den Älteren und Schwachen werben, mit den wirklichen Held*innen der Krise: im Krankenhaus, im Handel, in der Zustellung, in der Schule.

Lieber Kai, du hast schon immer gesagt, dass die Gelbe Hand in die Betriebe gehöre. Was ist am Kumpelverein so besonders?

Der Kumpelverein ist traditionell in den Gewerkschaften und in den Betrieben fest verankert. Es geht darum, Solidarität in den Betrieben und Unternehmen weiterhin zu stärken. Gerade in den jetzigen Zeiten der Pandemie, in denen Arbeitsplatzängste, Kurzarbeit und wirtschaftliche und soziale Schieflagen bei vielen Menschen zu Unsicherheiten führen, müssen wir verhindern, dass rechte Rattenfänger und Verschwörungsideologen das ausnutzen. Der Kumpelverein kann hier einen wichtigen Beitrag leisten.

Er ist in den Betrieben bekannt als Symbol für solidarisches menschliches Miteinander, wo Herkünfte, Hautfarben und sozialer Status keine Rolle spielen (sollten) und hat daher eine wichtige Funktion im Kampf gegen Menschenfeindlichkeit in der Arbeitswelt.

Der neu gewählte Vorstand der Gelben Hand in einer ersten digitalen Sitzung: (v.l.) Anne Jacobs, Dietmar Schäfers, Kai Venohr, Marc Neumann, Regina Karsch, Romin Khan, Sabrina Kunz