Heißer Herbst: Drohen uns Weimarer Verhältnisse?

Eine Frage an den renommierten Sozialwissenschaftler Alexander Häusler

Steigende Energie- und Lebensmittelpreise, wirtschaftliche Verunsicherung und Existenzängste treiben Menschen auf die Straße. Dort sind wir als Gewerkschaften und kämpfen. Dort treffen wir auch rechtspopulistische und rechtsextreme Kräfte. Herr Häusler, Drohen uns Weimarer Verhältnisse oder können wir die Unterwanderung durch Demokratiefeinde verhindern?


Weimarer Verhältnisse lassen sich nicht mit der heutigen Situation gleichsetzen, wohl aber vergleichen. Parallelen bestehen in der Krisensituation – aktuell befinden wir uns in einer Vielfachkrise: Pandemie, Krise der Sicherheitsarchitektur, Energiekrise, Klimakrise und nicht zuletzt Bedrohung der Demokratie von rechts. Autoritäre und demokratiefeindliche Kräfte gewinnen durch die Multikrise wieder an Einfluss: „Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet“ – nach diesem Credo des rechten Staatsrechtlers Carl Schmitt propagiert die extreme Rechte aktuell den Aufstand mit nationalistischem und rassistischem Populismus.

„Volk gegen Elite“ lautet das rechte Erhebungsversprechen, das in alter Manier die Volksgemeinschaft an die Stelle des Ringens um soziale Interessen setzt. „Unser Land zuerst“ lautet die entsprechende Mobilisierungsparole der AfD. Die extreme Rechte sehnt die Krise herbei, um sich mit Rassismus und Autoritarismus als angebliche Problemlösung ins Spiel zu bringen. Deshalb Vorsicht vor der unreflektierten Übernahme rechter Begriffsübernahmen: „Heißer Herbst“ oder „Wutwinter“ sind Schlagwörter, die von Rechtsextremen begrifflich okkupiert werden in dem Bestreben, einen Spaltkeil in die linke Protestbewegung zu treiben und die „soziale Frage“ von rechts zu besetzen. In Medien und Politik wird gar vor „Volksaufständen“ gewarnt. Berechtigte Proteste gegen ungerechte Kostenverteilung werden so in der öffentlichen Debatte mit einer reaktionären Inanspruchnahme der sozialen Frage in einen Topf geworfen.

Doch diese unterschiedlichen Protestinhalte sind inhaltlich gegensätzlich: Empörung über das Abwälzen der Krisenkosten auf sozial schlechter gestellte Bevölkerungsschichten ist etwas völlig anderes als Hetze auf vor Elend und Krieg geflohenen Menschen. In Krisenzeiten wird die soziale Frage zum heiß umkämpften politischen Feld. Deshalb gilt: Solidarität statt Rassismus! Die Unterscheidung zwischen links und rechts muss deutlich vermittelt werden: Demokratische Kräfte müssen einen Block aus Parteien, Bewegungen, Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbänden bilden, der die Forderung nach solidarischen Verhältnissen, gleichen Rechten und Umverteilung mit einer unmissverständlichen Gegnerschaft zur extremen Rechten verbindet.
 

Alexander Häusler ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Forschungsschwerpunktes Rechtsextremismus/Neonazismus der Hochschule Düsseldorf (www.forena.de)