Klare Kante gegen Rassismus, Engagement für Demokratie

Interview mit Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Im Zuge der Flüchtlingsdebatte hat die gesellschaftliche Polarisierung zugenommen, Rassismus scheint bis in die Mitte der Gesellschaft immer salonfähiger zu sein. Frau Ministerin, wie können wir (zivil-)gesellschaftlich den Zusammenhalt stärken und gegen rassistische Ressentiments, Hass und Ausgrenzung vorgehen?

Wir müssen klar Kante zeigen gegen Rechtsextremismus und Rassismus. Zugleich müssen wir uns aber stark machen für all jene, die sich vor Ort tagtäglich für Demokratie und Vielfalt einsetzen, die gegen Hass und Gewalt aufstehen. Dieses Engagement stärken wir durch unser Bundesprogramm „Demokratie leben!". Unterstützt werden Vereine und Initiativen, die sich für die Grundwerte unsere Demokratie, für ein Land der Vielfalt und Solidarität engagieren. In den vergangenen Jahren haben wir erreicht, dass der Bund die Mittel verdreifacht, mit denen er die Zivilgesellschaft hier unterstützt. Jetzt gilt es, diese Mittel auch langfristig den Projekten und den Trägern zur Verfügung stellen zu können. Darum brauchen wir ein Demokratiefördergesetz. Es schafft Planungssicherheit und stabilere Strukturen beim Engagement für Demokratie.

Die Arbeitswelt ist ein Ort gesellschaftlicher Debatten, oftmals auch ein Spiegel gesellschaftlicher Entwicklungen. Welche Rolle können Ihrer Ansicht nach die Gewerkschaften und der Kumpelverein als demokratische Akteure auch zukünftig im Kampf gegen menschverachtende Tendenzen einnehmen?

Demokratie- und Menschenfeindlichkeit dürfen auch am Arbeitsplatz keine Chance haben. Deshalb sind für uns auch die Gewerkschaften und die Unternehmen wichtige Akteure, was dieses Thema betrifft. Ich freue mich, dass sich viele Betriebsräte und Gewerkschafter gegen Vorurteile und Hass stemmen. Der DGB und seine Einzelgewerkschaften können da ja auf jahrelange Erfahrungen im Bereich der Bildungsarbeit zurückgreifen. Und auch in der Wirtschaft beobachte ich eine wachsende Sensibilität. Aber so manches Unternehmen muss hier noch klarer Farbe bekennen. Wir wissen, dass gerade junge Menschen gefährdet sind, in rechtsextreme Milieus abzugleiten. Welcher Maßnahmen bedarf es, um effektiv Prävention zu betreiben und Jugendlichen die Werte der Demokratie nachhaltig zu vermitteln? Die jungen Leute wollen mitreden und mitmischen, gerade wenn es um ihre Zukunft geht. Dafür brauchen sie Raum – und zwar auch jenseits der etablierten Strukturen. Studien zeigen, dass das politische Interesse bei Jugendlichen wieder steigt. Aber viele zweifeln daran, dass ihre Themen in der Politik auch wirklich ankommen. Genau da müssen wir ansetzen und Vertrauen zurückgewinnen. Wir brauchen mehr Politik von Jugendlichen, mit Jugendlichen und für Jugendliche. Demokratie muss erlebbar sein. Mein Ministerium hat sich mit der Jugendstrategie das Ziel gesetzt, die Beteiligung von Jugendlichen an politischen Prozessen zu erhöhen. Politik darf nicht über die Köpfe junger Menschen hinweg entscheiden. Das fördert Frustration und Verdrossenheit.

Rechtspopulisten in ganz Europa schüren genau diesen Frust und diese Ängste, sie machen Stimmung gegen Minderheiten und propagieren den Rückzug ins Nationale. Und sie feiern Erfolge damit. Wie kann dem politisch begegnet werden? Welches Leitbild müssen die demokratischen politischen Akteure dem entgegenhalten?

Wir müssen auf Zuversicht und Zusammenhalt statt auf Ausgrenzung und Spaltung setzen. Es ist wichtig, dass wir alle in unserer offenen und toleranten Gesellschaft zeigen: Wir wollen keinen Hass, keine Hetze – weder auf der Straße, noch im Netz. Die Ängste und Sorgen von Menschen müssen ernst genommen werden, aber sie dürfen nicht benutzt und geschürt werden, wie die AfD es tut. Politik und Zivilgesellschaft, wir alle müssen hier gemeinsam klare Kante zeigen. Wir wissen: Vorurteile gegenüber Menschen aus anderen Ländern sind immer dann besonders stark ausgeprägt, wenn diese Menschen nichts voneinander wissen. Deshalb ist es wichtig, Begegnungen zu schaffen. Deshalb sind Austauschprogramme für junge Leute, Jugendwerke so wichtig: Hier lernen Menschen schon in jungen Jahren, wie wichtig die Vielfalt der Kulturen ist.

Abseits tagespolitischer Debatten bleibt die Integration der Geflüchteten eine große, langfristige Herausforderung. Viele der zu uns Fliehenden sind sehr jung. Für sie ist Bildung der Schlüssel zur gelungenen Integration. Wie können wir die Integration der jungen Geflüchteten im Bildungssystem fördern und ihre Teilhabe stärken?

Gerade junge Geflüchtete brauchen Perspektiven und Chancen, um sich integrieren zu können. Sie sind vor Krieg, Armut oder Unterdrückung geflohen – teilweise sogar allein ohne ihre Eltern. Umso wichtiger ist es, dass sie unsere Sprache schnell lernen, zur Schule gehen und einen Ausbildungsplatz bekommen. Wir fördern das beispielsweise durch die Jugendmigrationsdienste. In 24 Einrichtungen, über ganz Deutschland verteilt, erhalten junge Flüchtlinge spezielle Hilfsangebote: ob es nun um die richtige Schule geht, um die Begleitung bei Behördengängen oder die Suche nach einem Job. Ein anderes Beispiel ist das Projekt „JUGEND STÄRKEN: 1000 Chancen". Junge Unternehmerinnen und Unternehmer helfen mit praxisnahen Angeboten: „Coach4Life" oder „Ein Tag Azubi" ermöglichen erste Schritte in die lokale Arbeitswelt. Auch davon können junge Geflüchtete profitieren.

 

Zahlreiche Initiativen, Vereine und engagierte Bürgerinnen und Bürgern in ganz Deutschland setzen sich tagtäglich für ein vielfältiges, gewaltfreies und demokratisches Miteinander ein. Bei dieser wichtigen Arbeit unterstützt sie das Bundesprogramm „Demokratie leben!" des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Es werden besonders Projekte gefördert, die sich in der Demokratieförderung und der Extremismusprävention engagieren. Das Programm setzt auf verschiedenen Ebenen an: Ziel ist es, Projekte sowohl mit kommunalen als auch mit regionalem und überregionalem Schwerpunkt zu fördern. Die Förderlaufzeit erstreckt sich von 2015 bis 2019.
Mehr Informationen zu den einzelnenProgrammbereichen gibt es unter: www.demokratie-leben.de