Nie wieder!

Michael Vassiliadis, Vorsitzender der IGBCE

Neun Schicksale. Neun junge Menschen. Einfach aus dem Leben gerissen. Am 19. Februar jährt sich der rechtsterroristische Anschlag von Hanau zum vierten Mal. „Nie wieder“ hieß es danach schnell. Nie wieder Rassismus. Nie wieder Hass. Aber wo stehen wir als Gesellschaft heute, vier Jahre nach dem rechten Terror? Welchen Wert hat der Appell „Nie wieder“ in Deutschland wirklich?

Angesichts der aktuellen gesellschaftspolitischen Entwicklungen muss man konstatieren: Rassismus, Diskriminierung und Antisemitismus sind in der Bundesrepublik noch immer bittere Realität. Schlimmer noch: Wir erleben, wie sich der gesellschaftliche Diskurs immer weiter nach rechts verschiebt, befeuert vom Aufstieg der AfD. Es herrscht eine widerliche Lust an rechter Provokation, an verbalen Grenzübertritten – und das längst nicht nur bei der von Verfassungsdiensten als rechtsextrem eingestuften Partei. 

Dass verbale Gewalt gegen Minderheiten oder Schwächere am Ende auch zu physischer Gewalt führen kann, ist kein neues Phänomen. Im Gegenteil: Hanau hat uns genau das schmerzlich vor Augen geführt. Wir haben erlebt, wie Rassismus tötet. Neun junge Menschen, einer davon aus den Reihen der IGBCE.

Was also bleibt von „Nie wieder“, angesichts der politischen Entwicklungen in Deutschland und Europa? Dass wir nicht müde werden dürfen gegen Rassist*innen und Antisemit*innen anzukämpfen, die unser Land und unsere tolerante und offene Gesellschaft auseinandertreiben wollen. Dass wir uns ihrem blinden Hass, ihrer Wut und ihrer feigen Hetze mutig und solidarisch entgegenstellen müssen – im Parlament, im Internet, am Arbeitsplatz und auf der Straße. Für „Wehret den Anfängen“ ist es längst zu spät. Jetzt geht es darum, wehrhaft zu sein. Sich mit aller Macht für unsere freiheitlich-demokratische Gemeinschaft einzusetzen. Damit wir irgendwann wirklich stolz behaupten können: „Nie wieder!“
 

Der gelernte Chemielaborant ist auch Präsident des europäischen Verbunds der Industriegewerkschaften IndustriAll Europe.