Die Gelbe Hand ist seit nunmehr 30 Jahren ein gewerkschaftliches Symbol gegen Rassismus und für ein respektvolles Miteinander. Wie können gerade wir als Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter unsere Werte der Solidarität und der Menschlichkeit wieder stärker in die Gesellschaft vermitteln?
Die Gelbe Hand war vor 30 Jahren ein starkes Signal der Gewerkschaften gegen Ausgrenzung und Rassismus. Und sie ist es bis heute. Gewalt gegen Flüchtlinge, Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte und die Ausgrenzung von Minderheiten – das sind Zeichen dafür, dass Rassismus und Menschenfeindlichkeit in der Gesellschaft nach wie vor weit verbreitet sind. Gleichzeitig gibt es mehr Hetze denn je. In den sozialen Medien werden Demokraten und Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter genauso bedroht wie Menschen, die religiösen und kulturellen Minderheiten angehören. Für uns ist klar: Wir müssen eine klare Kante zeigen gegen jegliche Form von Rassismus. Wir streiten für gleiche Teilhabechancen, für alle, unabhängig von ethnischer und sozialer Herkunft oder Religion. Das gilt für die Arbeitswelt und darüber hinaus für die Gesellschaft. Wir sind Partner der 2015 begründeten „Allianz für Weltoffenheit, Solidarität, Demokratie und Rechtsstaat - gegen Intoleranz, Menschenfeindlichkeit und Gewalt". Mit dem Bündnis setzen wir – gemeinsam mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen – ein Signal gegen jede Form von Hass, Rassismus und Gewalt. Die Grundrechte, demokratische Prinzipien und gewerkschaftliche Werte müssen angesichts der gesellschaftlichen und ökonomischen Veränderungen immer wieder neu begründet werden. Deshalb setzten wir uns ein für Mitbestimmung in der Arbeitswelt, für gleichen Lohn für gleiche Arbeit und für eine Rente, die für ein gutes Leben reicht.
Rassismus und Rechtspopulismus sind keine Randerscheinungen. Sie werden auch in den Betrieben sichtbar. Welche konkreten Maßnahmen können die Betriebsräte, Vertrauensleute und die Jugend-und Auszubildendenvertretungen ergreifen, um dem im Betrieb entgegenzuwirken?
In vielen Betrieben und Verwaltungen arbeiten Menschen unterschiedlicher Herkunft und Kulturen zusammen. Diese vielfältigen Belegschaften tragen zum Erfolg des Unternehmens bei. Dennoch: Rassistische Einstellungen sind – wie in der Gesamtbevölkerung – auch bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern verbreitet. Dies ist keine neue Erkenntnis. Heute aber werden rechtspopulistische und ausgrenzende Vorurteile und Vorstellungen deutlich offener formuliert und beeinträchtigen zunehmend auch die Betriebsabläufe. Umso wichtiger ist es, die Regelungen des Betriebsverfassungs- und der Personalvertretungsgesetze anzuwenden um Ausgrenzung und Rassismus zu thematisieren und zu bekämpfen. Über diese Themen muss auch in der beruflichen Aus- und Weiterbildung gesprochen werden. Wir brauchen konkrete Maßnahmen, um Konflikte zu lösen und um strukturelle und individuelle Diskriminierungen zu verhindern. In Betriebsvereinbarungen gibt es gute Ansätze für die thematische Auseinandersetzung in der Ausbildung. Diese Ansätze gilt es zu verbreitern. Aber nicht nur im Betrieb sollte man das nutzen, auch bei Fortbildungsmaßnahmen und Wettbewerben der Gewerkschaften und des Kumpelvereins.
Egal, ob auf Demonstrationen gegen Pegida und Co. oder mit kreativen Aktionen im Rahmen unseres Jugendwettbewerbs „Die Gelbe Hand" – die Gewerkschaftsjugend ist stets vorne dabei im Kampf gegen Rassismus. Wie kann man das Engagement der Jugend noch weiter fördern und ausbauen?
Wie nachhaltig sich die DGB-Jugend gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit engagiert, zeigt sich nicht nur daran, dass die DGB-Jugend die Gelbe Hand begründet hat. Bis heute setzen sich viele junge Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter für Weltoffenheit und Toleranz und gegen Rassismus ein – und sehen das als wichtigen Teil ihres gesellschaftlichen Engagements. Für die weitere Stärkung der gewerkschaftlichen Arbeit gegen Rechts brauchen wir vor allem bessere rechtliche Rahmenbedingungen und eine bessere Zusammenarbeit mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen. Bund und Länder sollten zudem entsprechende Programme besser fördern, wie die Beratung und Unterstützung von Opfern rechtsextremer Gewalt oder auch die politische Bildung.
Im Zuge der Flüchtlingsmigration wurden die politischen und medialen Debatten immer schriller - angefacht durch Rechtspopulisten, die gezielt Ängste instrumentalisieren. Welchen Beitrag können die Gewerkschaften als sozialpolitische Akteure leisten, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt wieder zu stärken?
Rechtspopulisten mit ihren eher autoritären und nationalistischen Vorstellungen zeichnen ein abwegiges Bild von Flüchtlingen – als homogene Gruppe, die „unsere Demokratie und Werte, unseren Wohlstand" bedrohe. Dabei sind es die Rechtspopulisten, die häufig die für alle geltenden Grundrechte ablehnen, sich gegen die die Gleichbehandlung von Männern und Frauen stellen und die Prinzipien einer demokratischen Gesellschaft ablehnen. Menschen aufzunehmen, die vor Kriegen und Bürgerkriegen fliehen, vor politischer und ethnischer Verfolgung – das war und ist eine menschenrechtliche Verpflichtung. Wer diese Verpflichtung verneint oder sie anhand wirtschaftlicher Faktoren einschränken will, ist geschichtsvergessen. Geflüchtete kommen mit all ihren Kriegs- und Fluchterfahrungen. Sie müssen als Individuen wahrgenommen werden, mit all ihren sozialen und kulturellen Prägungen – auch wenn diese nicht immer mit unseren gewerkschaftlichen Wertevorstellungen übereinstimmen.
Der Zuzug der Geflüchteten ist eine Herausforderung, kann aber auch eine Chance bedeuten, wenn die Integration gelingt. Gute Arbeit ist hierfür essentiell, denn Arbeit ist ein Pfeiler gesellschaftlicher Teilhabe. Wie muss also aus gewerkschaftlicher Sicht die Integration der Geflüchteten in den Arbeitsmarkt gestaltet werden?
Für uns als Gewerkschafter ist klar: Wir wollen keine Integrationspolitik, die auf Dumpinglöhne und Sondermaßnahmen für Geflüchtete setzt und auch keine Arbeits- und Ausbildungsverbote. Wir wollen gleiche Chancen auf ökonomische und gesellschaftliche Teilhabe. Das heißt, wir lehnen eine Einteilung in „gute und schlechte" Flüchtlinge ab. Stattdessen braucht es eine Prüfung der individuellen Fluchtgründe für alle und im Anschluss einen sicheren Aufenthalt. Aber das reicht nicht. Wir brauchen einen ganzheitlichen Ansatz, der gleiche Chancen auf ökonomische Teilhabe schafft, für alle Bevölkerungsgruppen, mit und ohne Migrationshintergrund oder Fluchterfahrung. Wir kämpfen für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – für bessere Arbeitsbedingungen und eine sichere Zukunft.