Wer hetzt, der fliegt.

Mitarbeiter bei Daimler in Untertürkheim nach Nazi-Postings gekündigt / Rechte Betriebsräte instrumentalisieren den Fall.

Die Stimmung ist angespannt beim bekannten deutschen Automobilhersteller mit dem Stern als Logo. Grund dafür ist die Kündigung zweier Mitarbeiter wegen rassistischen Verhaltens. Der Daimler-Konzern hatte im Jahr 2018 zwei Arbeiter des Werks Untertürkheim entlassen, nachdem diese einem türkischstämmigen Kollegen und IG-Metall-Vertrauensmann über Monate rassistisch beleidigt und ihm über Whatsapp Hitler- und Hakenkreuz-Bilder, verächtliche Bilder über Muslime und weitere harte menschenverachtende Posts zugesandt hatten. Das war dann zum Beispiel ein Bild von einem Wehrmachtssoldaten mit einer Schnellfeuerwaffe. Darunter steht: „Das schnellste deutsche Asylverfahren lehnt bis zu 1400 Anträge in der Minute ab.“

Als Gelbe Hand haben wir über den Vorfall mit dem Daimler-Betriebsrat aus Untertürkheim und IG Metall-Kollegen Roland Schäfer gesprochen. Dieser betonte: „Das waren klare rassistische Anfeindungen, die der Kollege über Monate ertragen musste. Das waren nicht nur die Whatsapp-Bilder, sondern auch persönliche Beleidigungen gegen ihn als Türken.“ Der Betriebsrat sieht diesen Fall auch im Lichte einer größeren Entwicklung: „Insgesamt muss ich sagen, dass die Hemmschwellen gesunken sind, das Klima und der Umgang miteinander verrohen immer mehr. Was man vor 10 Jahren nicht gesagt hätte, scheint jetzt salonfähig.“

Der betroffene türkischstämmige Vertrauensmann wandte sich nach dem monatelangen rassistischen Mobbing letztes Jahr an einen Vertreter der Vertrauenskörperleitung (VKL). Der VKL-Vertreter hat ihm empfohlen, die Vorfälle bei seinem Teamleiter zu melden. Daraufhin wurden Personalbereich und Betriebsrat benachrichtigt. Der Personalbereich hat sich dann nach den Gesprächen und aufgrund der vorliegenden, menschenverachtenden WhatsApp Nachrichten und -Bildern, dazu entschieden, Kündigungen gegen die Täter auszusprechen. Gegen die Kündigung haben die zwei Mitarbeiter geklagt, das Arbeitsgericht in Stuttgart hat die Kündigung jedoch bestätigt und als rechtmäßig erklärt. Als Grund wurden unter anderem die menschenverachtenden Whatsapp-Nachrichten angeführt. Dies zeigt einmal mehr, dass das, was in soziale Medien kommuniziert wird, nicht im rechtsfreien Raum stattfindet, sondern Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis haben kann – bis hin, wie in diesem Fall, zur Kündigung.

Damit hätte alles beendet sein können, doch der Fall schlug weitere Wellen. Die rechte Betriebsratsgruppe „Zentrum Automobil“, die in Untertürkheim mit sechs Sitzen im Betriebsrat vertreten ist, instrumentalisierte daraufhin die Kün digung der beiden deutschen Mitarbeiter für eine Propagandakampagne. Das „Zentrum Automobil“ produzierte einen 35 Minuten langen Videofilm, in dem die Täter interviewt und als die eigentlichen Opfer dargestellt werden. Die Vorwürfe gegen die beiden Entlassenen werden als absurd abgetan und die IG Metall als korrupte Gewerkschaft diffamiert, die an all dem Schuld sei.

Führender Kopf des Zentrums ist Betriebsrat Oliver Hillburger, ehemaliger Sänger der Rechtsrock-Band „Noie Werte“. Er verfügt über Verbindungen in die Szene der Neuen Rechten rund um den rechten Verleger Götz Kubitschek.

Mitte Juli kam es über den Fall vor den Toren des Werksteils in Mettingen am Stuttgarter Stadtrand auch zu einer lautstarken Auseinandersetzung zwischen rechten Anhängern des Zentrums und IG-Metall-Kollegen. Der Streit konnte erst durch Eingreifen der Polizei beendet werden.

IG Metall-Betriebsrat Roland Schäfer ist angesichts dieser Entwicklungen im Betrieb besorgt: „Das Zentrum Automobil versucht die Belegschaft zu spalten. So wie die AfD die Gesellschaft spaltet, so tun sie es im Betrieb.“ Problematisch ist für Schäfer die unkontrollierbare Verbreitung des Propaganda-Videos: „Das ist schon eine neue Dimension. Das kursiert jetzt in den sozialen Medien, ohne dass der Hintergrund da- zu aufgeklärt wird.“ Die IG Metall-Betriebsräte haben sich entschlossen, auf Betriebsversammlungen offensiv damit umzugehen, „Wir kommunizieren der Belegschaft unsere Sicht der Dinge und vertreten da klar unseren Standpunkt. Und die Mehrheit der Belegschaft steht eindeutig auf unserer Seite. Wir stehen für Solidarität, rechte Hetze hat bei uns keinen Platz.“

So sieht das auch der Arbeitgeber. In einem Aushang für die Mitarbeiter wies Daimler jetzt auch die Vorwürfe des Vereins „Zentrum Automobil“ zurück. In der Regel äußere man sich nicht zu Kündigungsfällen, erklärte das Unternehmen in einem Aushang für die Beschäftigten. Weil der Film aber die Tatsachen verzerre, mache man nun eine Ausnahme. Rassismus und Fremdenfeindlichkeit könne Daimler „in keiner Weise dulden“.

Auch die IG Metall Stuttgart veröffentlichte eine Stellungnahme zu den Vorfällen, in der sie sagt, dass die Kündigung nicht von der IG Metall betrieben wurde – so hatte es im Nachhinein das Zentrum Automobil dargestellt – aber eines klar ist: „Allerdings gilt für die IG Metall und ihre Vertrauensleute, dass wir keine Toleranz gegenüber rassistischen Äußerungen zeigen – sondern eine klare Kante gegen rechte Hetze. In den Betrieben wie in der Gesellschaft haben Rassismus, faschistisches Gedankengut und menschenverachtende Aussagen keinen Platz. Wir stehen weiterhin hinter dem Grundsatz: ‚Wer hetzt, der Fliegt.‘- Jörg Hofmann, erster Vorsitzender der IG Metall.“

Die Stellungnahme der IG Metall Stuttgart in voller Länge gibt es unter: https://www.stuttgart. igm.de/news/meldung.html?id=92040