Seit 2019 ist Daniel Terzenbach Vorstand Regionen der größten Sozialbehörde Europas, der Bundesagentur für Arbeit (BA). Zu seinem Aufgabenbereich gehört auch die Integration von geflüchteten Menschen in den Arbeitsmarkt. Ein Gespräch über Herausforderungen und Chancen.
Gelbe Hand: Seit Kriegsausbruch sind 900.000 Menschen aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet. Wie werden die Ukrainer*innen in den deutschen Arbeitsmarkt integriert? Gibt es bereits Erfolge?
Daniel Terzenbach: Unser Ziel ist es, diese Menschen passend zu ihrer Qualifikation zu integrieren. Der Großteil der Geflüchteten sind Frauen, viele davon mit Kindern. Die Integration braucht Zeit. Das Lernen der deutschen Sprache, die Anerkennung der Abschlüsse und eine gesicherte Kinderbetreuung sind der Schlüssel für eine nachhaltige Integration in Gesellschaft und Arbeitsmarkt. Seit Februar ist die Beschäftigung von Ukrainer*innen um 38.000 gestiegen.
Seit der letzten großen Migration 2015 mussten Hunderttausende Menschen in Arbeit und Ausbildung gebracht werden. Nicht jede*r verfügte über einen gelernten Beruf oder in Deutschland anerkannten Abschluss, die Qualifizierung stand im Mittelpunkt. Wo stehen diese Menschen heute?
Rund die Hälfte der Geflüchteten, die seit 2013 nach Deutschland gekommen sind, geht fünf Jahre nach dem Zuzug einer Erwerbstätigkeit nach. Die Arbeitsmarktintegration erfolgt damit etwas schneller als bei Geflüchteten früherer Jahre. Wir müssen hier aber noch besser werden, insbesondere bei der Integration von Frauen.
Deutschland leidet unter einem andauernden Fachkräftemangel und „rettet“ sein Wirtschaftswachstum seit den Fünfzigerjahren durch die Anwerbung von Arbeitskräften aus dem Ausland. Sie prognostizierten im letzten Dezember einen „Kahlschlag auf dem Arbeitsmarkt“. Wie kann dieser verhindert werden?
Um den Fachkräftebedarf decken zu können, müssen wir an mehreren Stellschrauben drehen: Wir müssen das vorhandene Potenzial im Land voll ausschöpfen, indem wir beispielsweise bessere Rahmenbedingungen schaffen, so dass Frauen ihre Arbeitszeit ausbauen können und auch Jugendliche nicht ohne Abschluss die Schule verlassen und damit schon eklatante Nachteile haben. Es braucht auch gute Arbeitsbedingungen, so dass Menschen bis zur Rente psychisch und physisch gesund arbeiten können und nicht vorher „rausfallen“. Wir brauchen aber auch die Zuwanderung von Arbeits- und Fachkräften, vor allem aus Drittstaaten. Dazu geht die BA verschiedene Wege. Hierzu gehören z.B. Rekrutierungsprojekte und Vermittlungsabsprachen. Es wird aber noch mehr brauchen, um nachhaltig die Zahl von Menschen zu erhalten, die durch Arbeit den Wohlstand und damit den sozialen Frieden des Landes sichern. Wichtig ist mir hierbei faire Migration – für alle Beteiligten.
Der DGB Bayern hat letztens auf Facebook gepostet: „Fachkräftemangel in Deutschland ist wie Porschemangel. Man hätte gerne einen neuen für 10.000 Euro und findet keinen.“ Werden die Arbeitsbedingungen, die Löhne und am Ende auch die Renten nicht schlechter, wenn Arbeitsplätze mit Arbeitskräften aus dem Ausland besetzt werden, die sich möglicherweise ihrer Rechte nicht bewusst sind und dadurch geringer entlohnt werden? Wie schützt die BA die Neuankömmlinge vor ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen?
Der Arbeitsmarkt hat sich zu einem Arbeitnehmermarkt gewandelt. Neues Personal muss nicht nur rekrutiert, sondern vor allem auch gehalten werden. Die Entlohnung wird von den Sozialpartnern verhandelt. Unabhängig davon erlebe ich aber eher Unternehmen mit kreativen Angeboten. Klar ist: die Gleichbehandlung von deutschen und ausländischen Beschäftigten ist unverhandelbar. Der Grundsatz der BA ist, dass wir nur geprüfte Stellenangebote aufnehmen und veröffentlichen. Außerdem arbeiten wir eng mit der Zollverwaltung bei der Bekämpfung der Schwarzarbeit und der illegalen Beschäftigung zusammen. Darüber hinaus ist die BA bei einer Beschäftigung von ausländischen Beschäftigten aus Drittstaaten bei der Arbeitsmarktzulassung beteiligt. Hier prüfen wir auch die Lohn- und Arbeitsbedingungen. Aber dennoch brauchen wir weiterhin auch Anlaufstellen, die zusätzlich die Menschen unterstützen und ein Auge auf die Entwicklung haben. Ich sehe dabei aber kein drohendes Massenphänomen – es sind häufig sehr tragische Einzelfälle, die uns richtigerweise allen vor Augen geführt werden.
Sie sind in der BA für die Regionen zuständig. Gibt es Regionen, die beispielhaft zeigen, wie Integration gelingt?
Es gibt viele gute Beispiele, aber mir fällt beispielsweise das Welcome Center Hamburg ein, in dem alle Arten von Anliegen rund um die Themen Einreise, Aufenthalt und Arbeitsmarktintegration behördenübergreifend unter einem Dach an einem Ort geklärt und begleitet werden. Es werden sich diejenigen Regionen langfristig durchsetzen, die verstanden haben, dass Menschen kommen, die eine soziale Integration in die Gesellschaft brauchen. Ansonsten gehen sie wieder – ein leider häufig unterschätztes Phänomen.
Seit dem DGB-Bundeskongress sind Sie Fördermitglied unseres Vereins, was verbinden Sie damit?
Beim Thema Einwanderung lassen wir die soziale Integration noch zu sehr außen vor. Damit die dringend notwendigen Fachkräfte auch dauerhaft bleiben, brauchen wir eine echte Willkommenskultur. Losgelöst von meiner Funktion als Vorstand der BA ist es mir persönlich wichtig, dass wir diese Haltung in der gesamten Gesellschaft leben. Wir müssen das auch immer wieder aussprechen – auch wenn es manche immer noch nicht hören wollen. Das heißt Haltung und Respekt gegenüber den Menschen, die uns hier bereichern wollen.